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AutorenbildTanja

Bildretusche Fluch oder Segen?

Mit Photoshop kann man Wunder vollbringen. Soll man es auch? Wie viel Bildbearbeitung ist zu viel? Warum lasse ich die Bilder nicht komplett unbearbeitet? Diese Fragen werden kontrovers diskutiert. Zu Recht. Ich werde euch meine Ansichten und das Vorgehen bei meinem Shooting anhand von Vorher-Nachher-Bildern zeigen.

 

Zunächst einmal möchte ich gerne eine Tatsache erläutern, die den wenigsten Menschen bewusst ist. Wir besitzen einen eingebauten natürlichen, selektiven Filter, den die Kamera nicht hat. Ein Mensch beeinflusst uns dermaßen mit seiner Persönlichkeit, dass uns Kleinigkeiten, wie Pickel oder Falten einfach nicht auffallen. Die Kamera dagegen hat eine so gute Auflösung und Dynamikumfang, dass sie jede Pore festhalten kann. Ihr glaubt mir nicht? Schaut euch das Video an, dass bei dem Shooting an genau derselben Stelle entstanden ist. Es ist zwar in schwarz-weiß, aber ihr werdet mir bestimmt zustimmen, dass Fereshte mit Ihrem Lächeln uns dermaßen bezaubert, dass einem das Gesicht makellos erscheint. Im realen Leben ist es wie auf dem Video. Die Kamera dagegen zeigt jede Struktur, die mir niemals aufgefallen wäre.



Ich spreche mit meinen Kunden vorher ab, wie viel Retusche erwünscht ist. Gibt es z. B. ausgeprägte Tränensäcke, die verschwinden sollen oder andere „Makel“, die man auf dem Foto nicht sehen möchte, dann kann ich dies realisieren. Ich werde aber grundsätzlich niemanden massiv verändern, der es nicht möchte. Bei meinen freien Projekten geht es natürlich um ein Gesamtkonzept, dass ich umsetzen möchte. Da kann es schon sein, dass ich mehr retuschiere als bei Kundenporträts, weil ich die Aufmerksamkeit richten möchte. Es geht um eine künstlerische Arbeit. Wenn der Kunde mir freie Hand lässt, dann halte ich mich stets an mein Grundprinzip, dass ich versuche den Menschen so einzufangen, wie ich ihn gesehen habe. Das, was mir sofort ins Auge gesprungen ist, darf bleiben. Alles, was ich erst nachher auf dem Bild wirklich wahrnehme, entferne ich.


Ein weiterer Aspekt, der den meisten nicht bewusst ist, ist, dass Lichtsetzung Struktur minimiert oder verstärkt. Bestimmt ist dem einen oder anderen Mal aufgefallen, dass man in Aufzügen oder Umkleidekabinen besonders furchtbar aussieht. Sehr frustrierend, wenn man gerade einen neuen Badeanzug kaufen möchte und plötzlich Cellulite in rauen Mengen sichtbar wird, die einem zu Hause noch nie so ausgeprägt aufgefallen ist, während man bei Kerzenschein oder im Sonnenuntergang besonders hübsch aufblüht. Diese Phänomene kennen wir alle und sie sind schlicht und einfach der Lichtsetzung geschuldet. In Umkleidekabinen kommt hartes Licht direkt von oben. Licht, das seitlich auf „Strukturen“ auftritt, verstärkt diese exponentiell. Während Licht, das frontal zur Struktur auftrifft, keine Schatten auslöst und sie so deutlich minimiert.


Man darf natürlich auch immer bedenken, dass Fotografie eine Kunstform ist, auch wenn es mir selbst schwerfällt, mich als Künstlerin zu bezeichnen. Ich habe mich ganz bewusst für die inszenierte und gegen die Reportage – Fotografie entschieden, weil ich die Atmosphäre des Bildes selbst gestalten möchte. Dies erfolgt mit bewusster Lichtsetzung und auch Bearbeitung, in der ich die Farben und Bildschnitte nachträglich manipuliere und al Gusto verändere, bis ein Bild meinem Stil entspricht. Genauso wie der Koch ein Gericht mit verschiedenen Gewürzen zu seinem eigenen macht. Dabei versuche ich das herauszukitzeln, was ich in dem Menschen sehe.


Selbstverständlich kann ich nachvollziehen, dass durch die Möglichkeiten von Photoshop der Eindruck entsteht, als hätten die Modelle perfekte Haut, was Jugendliche in einen regelrechten Schönheitswahn treiben kann. Ich finde, dass es aber nicht der richtige Weg ist, deshalb mit der Bildbearbeitung gänzlich aufzuhören, sondern mit Artikeln wie diesem ein Bewusstsein zu schaffen und Aufklärung zu betreiben. Niemand hat perfekte Haut. Aber selbstverständlich sollte man es auch nicht komplett übertreiben und z. B. die Person 20 kg leichter machen, oder die Proportionen verändern, wie z. B. Augen und Brüste vergrößern, oder Nasen schmälern, etc.

So wie mit allem im Leben kommt es auf das Maß an. Mal weniger, mal mehr, aber niemals zu viel.


Ich wünsche euch allen eine schöne Zeit.


Eure Tanja


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